#Rudolf Bussmann #Lesezirkel und Kurse #2020 #Oktober #Literaturhaus Basel

Montag, 12. Okt. 20, 19:00 Uhr

Literaturhaus Basel

Kursdaten: Montag, 12.10./2.11./23.11./7.12.2020, jeweils 19–21 Uhr

Die gesellschaftliche Erfahrung dieses Jahres ist das Getrenntsein von anderen. Geschlossene Grenzen, körperliche Berührung tabu: Die erzwungene Distanz bringt grundsätzliche Aspekte des Zusammenlebens wie Nähe, Allein- und Getrenntsein in die Diskussion – Themen, von denen die Belletristik berichtet, seit sich die Helden in den mittelalterlichen Ritterromanen auf Aventiure begaben.

Bequemes Reisen, stets verfügbare Kommunikationsmittel, aber auch Gewalt und Verschleppungen haben der Fernbeziehung zu einem festen Platz in der zeitgenössischen Literatur verholfen. Vier Neuerscheinungen, in denen sie eine zentrale Rolle spielt, werden in dem vom Schriftsteller Rudolf Bussmann geleiteten Lesezirkel besprochen. In zweien der Romane halten die Liebespaare bewusst örtliche Distanz zueinander: Die Protagonisten in „Die Nachkommende“ von Ivna Žic leben in Zürich und Paris, in Leif Rands „Allegro Pastell“ in Frankfurt respektive Berlin. Burhan Sönmez berichtet dagegen von der erzwungenen Ferne seines von Amnesie heimgesuchten Helden zu sich selbst („Labyrinth“), während sich im neuen Roman des israelischen Autors David Grossman „Was Nina wusste“ diverse Spielarten von Fernbeziehung kreuzen.

Die vier Gesprächsabende gehen von den Leseerlebnissen der Kursbesucherinnen und -besuchern aus. Die gemeinsame Diskussion will die individuelle Lektüre vertiefen, auftauchende Fragen klären und verschiedene Lesarten miteinander vergleichen. Die Aufmerksamkeit gilt neben dem Inhalt auch der literarischen Form und der sprachlichen Gestalt der Werke. Die Bücher sollten von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf das jeweilige Datum hin gelesen sein.


Ivna Žic: Die Nachkommende (Montag, 12. Oktober 2020)

Die Icherzählerin im Erstlingsroman der 34-jährigen Schweizer Autorin lebt im Spannungsfeld zwischen ihrer kroatischen Heimat, ihrem jetzigen Wohnort Zürich und Paris, wo ihr Geliebter lebt. In diesem Feld spielen die Geschichten ihres Lebens, die wir stückweise erfahren. Die Distanz, die sie zu ihrer angestammten Familie hält, hat zu einer Entfremdung geführt, die mit Sehnsucht aufgeladen ist. Und jene, die sie von ihrem verheirateten Pariser Freund trennt, lässt sie überlegen, was sie eigentlich mit diesem verbindet und was sie trennt.
(Matthes & Seitz 2019, 164 Seiten)

Leif Randt: Allegro Pastell (Montag, 2. November 2020)

Tanja und Jerome, sie Anfang, er Mitte dreissig, führen eine klassische Fernbeziehung. Zwischen Frankfurt und Berlin gehen die elektronischen Nachrichten der beiden hin und her, mehrmals am Tag. Gemeinsame Besuche von Partys und Einladungen bringen sie regelmässig zusammen. Beide sind hoch selbstreflexiv und nehmen die Gesten und Stimmungsschwankungen bei sich und dem andern auf das Genaueste wahr, auch das Erkalten der Beziehung. Dass dieses nicht einfach zum Abbruch führt, ist eine der Finessen, die den Roman des 37-jährigen deutschen Autors ausmachen.
(Kiepenheuer & Witsch 2020, 280 Seiten)

Burhan Sönmez: Labyrinth (Montag, 23. November 2020)

Nach einem Selbstmordversuch hat Boratin einen Teil seines Gedächtnisses verloren. Er kann sich an alles erinnern, ausser an sich und seine Vergangenheit. Mit Hilfe der Freunde von seiner Band – er ist einer der bekanntesten Sänger Istanbuls, dem Wohnort des türkischen Autors – nimmt er Schritt um Schritt wieder Besitz von dem, was ihm gehört, von der Stadt und ihren Lokalen. Er aber bleibt der blinde Fleck. Die irritierende Erfahrung von Distanz, wo eigentlich Nähe wäre, verleitet ihn zum Nachdenken über Zeit, Vergangenheit, Identität und den Sinn des Lebens.
(btb Verlag 2020, 157 Seiten)

David Grossman: Was Nina wusste (Montag, 7. Dezember 2020)

Viel ist es nicht, was Nina über ihre Mutter weiss, denn diese liess sie als Kind plötzlich allein und blieb für einige Jahre verschwunden. Das Trauma des Alleingelassenseins blieb in der Familie: Nina verliess ihrerseits ihren Mann und ihre Tochter Gili. Es ist Gili, inzwischen Filmerin, die dem Geheimnis ihrer Grossmutter Vera nachgehen will. Nach deren 90. Geburtstag fahren die beiden mit Gilis Eltern auf die kroatische Gefangeneninsel, wo Vera während des Tito-Regimes schwerster Drangsal ausgesetzt war. Die unvermutete Dramatik des Ausflugs lässt die Wut und das Misstrauen der Töchter in den Hintergrund treten.
(Hanser Literaturverlag 2020, 352 Seiten. Erscheint am 17.August 2020)

Anmeldung: Über das Anmeldeformular oder unter info@literaturhaus-basel.ch Kursleitung: Rudolf Bussmann (Autor) Kosten: CHF 160/120 (Mitglieder LiteraturBasel*) Anmeldeschluss: Freitag, 11. September 2020