Dienstag, 14. Apr. 20, 14:49 Uhr
Literaturhaus BaselHeute habe ich mein Archiv in den Müll geworfen: drei Säcke voller ausgeschnittener Zeitungsartikel, Arbeitsdokumente, die ich während Jahren aufbewahrt hatte, viele Bücher. Ich brauche sie nicht mehr. Sie zeugen von einer Welt, die es nicht mehr gibt. Auch die TV-Serien schaue ich mir seit Wochen nicht mehr an. Die einzig wahre TV-Serie ist jetzt unser Leben. Ein Mann in unserem Mehrfamilienhaus hustet seit Tagen, voller Wucht. Aus meinem Hausarrest horche ich und versuche, mir seine Gedanken vorzustellen. «Heute hätten wir mit der Schule nach Prag fliegen müssen», seufzt meine Tochter. Im Juni macht sie Matur. «Geht das noch lange so?» Seit mehr als einem Monat sind wir nun schon eingesperrt. Ich zucke mit den Achseln. Wir haben gerade alle mehr Fragen als Antworten.
Dann bin ich rausgegangen, in die Leere Roms. Die Vögel zwitschern am Morgen. Die Natur erwacht, und wir sind innerlich tot. Hie und da fährt ein Auto vorbei. In der Nacht bricht nur der Kehrichtwagen die Stille. Es ist das einzige Geräusch. Pro Familie darf nur eine Person am Tag im Quartier einkaufen gehen. Carabinieri und Polizeiwagen patroullieren durch die Strassen.