#Terézia Mora #2020 #Juni #Literaturhaus Basel

Mittwoch, 10. Jun. 20, 13:00 Uhr

Literaturhaus Basel
«home delivery» liefert Ihnen in unregelmässigen Abständen Texte frei ins Haus: Damit wir den Kontakt zu unseren früheren und zukünftigen Gästen trotz Covid-19-Isolation nicht verlieren und damit Sie, liebes Publikum, trotzdem aus erster Hand erfahren, was die Schriftsteller*innen zu sagen haben, haben wir einige von ihnen gebeten, etwas für Sie zu schreiben. Das Thema ist offen, die Autor*innen haben carte blanche. Ausserdem weisen wir mit kurzen Ausschnitten auf Bücher hin, die im Literaturhaus hätten vorgestellt werden sollen.


Es war zu Zeiten der Coronakrise, als meine Mutter zum zweiten Mal verrückt wurde. Das erste Mal verrückt wurde sie ein Jahr zuvor, als es so aussah, als wäre es unmöglich, einen Schulplatz für mich zu finden. Komm, sagte sie, dann werden wir eben Hippies. Sie meinte das vollkommen ernst. Sie schlug vor, keinem ein Wort zu sagen, alles aufzulösen, uns einen Caravan zu kaufen und uns auf den Weg zu machen. Wohin? Nirgendwohin. Wir bleiben einfach in Bewegung. Wir schauen uns schöne Landschaften an. Und auch hässliche. Weniger Städte. Aber warum auch nicht Städte. In den Dörfern heulen uns die Hunde an, aber wir werden uns auch daran gewöhnen. (Daran kann man sich nicht gewöhnen.)
     Ja, es herrscht Schulpflicht. Na und? In nur 5 Jahren bist du aus dem schulpflichtigen Alter raus. 5 Jahre sind ein Klacks. Solange würden sogar unsere Ersparnisse reichen, wenn wir alles verkaufen und uns bescheiden. Aber, wenn wir uns ein wenig auskennen, können wir auch unterwegs etwas arbeiten. Du lernst Sprachen und alles.
     Sie war ehrlich konsterniert, wieso wir das nicht einmal in Betracht zogen.
     Träumt ihr nicht wenigstens davon?